Portraits von Teilnehmerinnen der Gruppe „Töchter von Kriegseltern“
Ausstellung im Interkulturellen Frauenzentrum S.U.S.I., Bayerischer Platz 9, 10779 Berlin, Oktober 2015
Zwei Jahre dauerte der Austauschprozess zwischen Frauen in Berlin und Krakau in diesem von S.U.S.I. initierten Projekt. Dieser Begleittext zur Ausstellung bringt meine Sicht darauf rückblickend zum Ausdruck.
„Töchter von Kriegseltern“ oder „Kriegsenkelinnen“, – diese Begriffe beschreiben scheinbar Gemeinsamkeit, doch die Situationen, denen sich unsere Großeltern oder Eltern jeweils ausgesetzt sahen, waren fundamental unterschiedlich.
Einen Austausch zwischen Berlin und Krakau mit diesem Titel musste den Blick auf die Ursache des Krieges richten. Berlin war Machtzentrum des Nationalsozialismus und Ausgangspunkt der Verbrechen gewesen. Krakau als eines der kulturellen Zentren Polens dagegen war das Ziel der beispiellosen Agression. Auch war die Art der Aufarbeitung des Geschehens nach 1945 sehr verschieden.
Vielleicht lag hierin die Ursache dafür, dass die Berliner Gruppe mehr biografisch arbeitete, während die Frauen der Partnerorganisation eFKa den Akzent stärker in der Öffentlichkeitsarbeit setzten.
In Berlin war das Bedürfnis groß, „die Nebel zu lichten“, die in den meisten Fällen in den Familien die jüngste Vergangenheit eingehüllt hatten. Die Krakauer Frauen waren verständlicherweise vorsichtig darin, sich diesen Enthüllungen auszusetzen.
Langsam habe ich das mehr und mehr verstanden und auch, wie die aktuelle „Kriegsenkel-Diskussion“ in Deutschland stellenweise in Gefahr gerät, Täter- und Opfer-Ebenen zu relativieren. In unserem Projekt sah ich in einigen Momenten die Gefahr, die Begegnung aus den nicht aufgearbeiteten Schuldgefühlen heraus für eine „Entschuldigung“ zu missbrauchen.
Die Spannung ausgehalten und die Brücke zwischen diesen Positionen geschlagen haben die Frauen, die im Nachkriegspolen geboren wurden und schon lange den Weg nach Berlin angetreten hatten, die Berlinerinnen mit polnischen Wurzeln. Sie waren unsere engagierten Mittlerinnen.
Jede Frau war unausweichlich mit der Frage konfrontiert, wie weit sie sich mit ihrer persönlichen Geschichte einbringen konnte und wollte.
In dieser Situation, in der es manchmal schwierig war, sich zu öffnen, gingen die Teilnehmerinnen auf meinen Vorschlag zu Portraitsitzungen ein. Sie setzten sich damit dem Risiko aus, das jeder intimen Begegnung innewohnt. Mit seiner Geschichte als Individuum genau wahrgenommen und gemalt zu werden, kann, wenn es gelingt, eine Erfahrung von liebevoller Zuwendung sein. Das Ergebnis kann dann etwas heilsames an sich haben. Doch was, wenn das Portrait nicht gelingt, weil sich die Portraitierte darin nicht wiederfindet? Ich wusste, als Malerin kann ich meinen Fähigkeiten vertrauen; doch die Spannung, die wir in der Ateliersituation aushielten, spiegelte die Spannung des gesamten Prozesses wider.
Letzten Endes siegte die Neugierde über meine Zweifel: So viele interessante Frauen zu malen war einfach zu reizvoll für mich.
Ich fertigte in Einzelsitzungen jeweils eine Serie von Aquarellen an. Aus dieser Serie konnte sich jede portraitierte Frau eine Arbeit aussuchen. Diese Bilder, in denen sich die Modelle selbst als am Besten ‚gesehen‘ empfanden, fehlen also in dieser Ausstellung. Jede Teilnehmerin bat ich um einen Satz zu ihrem Portrait, der sich auf das Projekt beziehen sollte.
Ich hoffe, dass die Bilder später auch in Krakau gezeigt werden können. In einem Europa der Zukunft, das seine gemeinsamen Visionen erst noch erfinden muss, ist doch jeder kleine Beitrag wichtig.